Offener Brief an den Bundesvorstand
Der Ortsverband Villingen-Schwenningen des Deutschen Kinderschutzbundes hat die Diskussion über die Beschneidung von männlichen Jugendlichen nach dem Gerichtsurteil aus Köln mit Interesse verfolgt. Wir haben daraufhin auch intern über das Thema diskutiert. Dabei hat sich unser Vorstand einstimmig dafür ausgesprochen als Ortsverband keinem Kompromiss zur Zirkumzision zuzustimmen.
Grundlegend sind wir der Meinung, dass das Selbstbestimmungsrecht von Kindern und Jugendlichen über ihren Körper diesen von Keinem, auch nicht von Ihren Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten abgenommen werden darf.
Die Diskussion über dieses Thema ist so komplex, die Argumente so grundlegend verschieden und die Interessen einiger Lobbygruppen so stark emotionalisiert, dass ein längeres Moratorium in dem alle Argumente wissenschaftlich fundiert zusammengetragen werden, uns allen gut zu Gesichte stände.
Bei der Beschneidung von männlichen Kindern und Jugendlichen stellen sich viele ungeklärte Fragen.
- Inwieweit greifen wir damit in die sexuelle Entwicklung dieser Menschen ein?
- Wie stark sind die Schmerzen bei der Beschneidung?
- Wie hoch ist die Gefahr von Komplikationen bei und nach der Beschneidung?
- Besteht die Möglichkeit dauerhafter physischer und/oder psychischer Schäden durch die Beschneidung?
- Besteht in besonderen Fällen Todesgefahr durch die Beschneidung?
- Ist die Beschneidung ein Versuch das Sexualverhalten zu lenken und zu bremsen?
- Ist die Beschneidung ein „alter Hut“, der in alten Zeiten eine gewisse Berechtigung hatte, aber in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr zu tolerieren ist?
Dennoch wäre unser Ziel, dass die Beschneidung bei Kindern und Jugendlichen nur bei ärztlicher Diagnose einer Phimose oder einer anderen Erkrankung, die die Beschneidung nötig macht, erlaubt wird. Dabei muss diese Diagnose von zwei Ärzten unabhängig voneinander diagnostiziert werden. Eine Beschneidung im Erwachsenenalter zum Beispiel aus religiösen Gründen bleibt natürlich in der Entscheidungsbefugnis des dann Erwachsenen.
In diesem Sinne sind wir der Meinung, dass der Deutsche Kinderschutzbund auch nachdem das Gesetz verabschiedet wurde, seine „Minderheitsmeinung“ in abschließenden Protokollen manifestieren lässt.
Aufgrund dieser Überlegungen haben wir einen offenen Brief an unseren Bundesvorstand geschickt, den wir Ihnen hier ausgedruckt haben:
Stellungnahme des Ortsverbandes Villingen-Schwenningen zur Diskussion über die Beschneidung von Kindern und Jugendlichen
Sehr geehrter Herr Hilgers,
anlässlich der, durch das „Beschneidungsurteil“ einer kleinen Strafkammer des Landgerichts Köln ausgelösten, Diskussion über die Beschneidung von männlichen Jugendlichen haben auch wir, der Ortsverband Villingen-Schwenningen, uns ausführlich mit dem Thema Beschneidung beschäftigt und dabei auch den Inhalt der vom Bundesverband veröffentlichten Stellungnahme kontrovers diskutiert.
Wir sind dabei zu der Auffassung gelangt, dass die Ausführungen in der Stellungnahme in weiten Teilen unsere Überzeugungen und Meinungen zutreffend wiedergeben. Der Empfehlung der Stellungnahme, dass eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen erlaubt sein soll, können wir uns jedoch nicht anschließen, da wir es als Kinderschützerinnen und Kinderschützer als unsere vorrangige Aufgabe sehen uns dafür einzusetzen, dass medizinisch nicht notwendige Eingriffe in den Körper eines Kindes zu unterbleiben haben. Als Lobbyist der Kinder sollte nach unserer Ansicht der Kinderschutzbund uneingeschränkt für das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit eintreten. Dies schließt für uns eine zustimmende Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf aus.
Wir dürfen Sie bitten, die von uns vertretene Auffassung zur Kenntnis und zu Protokoll zu nehmen und bei weiteren Diskussionen und Stellungnahmen zu beachten.
Mit freundlichen Grüßen
Alfred Zahn
Geschäftsführer Deutscher Kinderschutzbund Ortsverband Villingen-Schwenningen
Kreisvorsitzender Paritätischer Wohlfahrtsverband
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